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MOSAiC: Nach Wochen im Eis folgt nun die Auswertung

Die Arktisexpedition MOSAiC ist beendet – die Forschung mit den gewonnenen Daten geht jetzt erst richtig los.

Forschung

Wochenlang im Eis: Bei der einzigartigen Arktisexpedition MOSAiC 2019/2020 waren mit Dr. Gunnar Spreen, Dr. Marcus Huntemann und Linda Thielke auch an Meereis Forschende des Instituts für Umweltphysik (IUP) der Universität Bremen wochenlang in der Polarregion im Einsatz. In unterschiedlichen Phasen der Expedition arbeiteten sie in internationalen Teams gemeinsam an den Grundlagen, um die Polarforschung weiter zu verbessern. Die gesammelten Daten werten sie jetzt in verschiedenen Projekten aus.

Die Erinnerungen an die wochenlangen Forschungen im ewigen Eis sind schön: „Tolle Zusammenarbeit in fachübergreifenden Gruppen, kein Corona, wundervolle Landschaft – ein krasser Gegensatz zum Homeoffice, in dem ich jetzt sitze“, fasst Linda Thielke, Doktorandin am Institut für Umweltphysik, zusammen. Ihren Kollegen Gunnar Spreen und Marcus Huntemann geht es ähnlich. „Jetzt gibt es fast jeden Tag Online-Meetings, in denen es rund um MOSAiC geht – vom Satelliten bis hin zu den kleinsten Schneekörnern“, sagt Spreen, Leiter der IUP-Arbeitsgruppe „Fernerkundung der Polarregionen“. „Das versetzt einen immer wieder zurück. Aber nur darüber zu reden, macht weit weniger Spaß als mitten im Eis zu forschen.“

Das Arbeitsgerät folgt auf dem Schlitten: Doktorandin Linda Thielke zieht die Infrarotkamera, eine visuelle Kamera und das Mikrowellen-Radiometer Ariel über die MOSAiC-Eisscholle.
© Lianna Nixon

Vielfalt der Forschungsansätze kennengelernt

Doch Forschungsexpeditionen sind endlich, und so endete im Herbst 2020 auch die einzigartige Fahrt der „Polarstern“. „Alle wussten, dass in diesem Jahr viele Daten erhoben werden und es danach an die Auswertung geht“, sagt Marcus Huntemann. „Ebenso wichtig war aber für uns, gemeinsam mit Forschenden aus aller Welt die unglaubliche Vielfalt zu erleben, mit der die Veränderungen der Polarregionen untersucht werden. Wir haben ja sonst nur unseren eigenen speziellen Blickwinkel. Jetzt wissen wir auch um die Forschungsansätze angrenzender Gebiete, die mit unseren zusammen erst das große Ganze ergeben.“

„Die Online-Meetings versetzen einen immer wieder zurück ins Eis.“ Dr. Gunnar Spreen, Leiter der IUP-Arbeitsgruppe

Huntemann ist nun primär damit beschäftigt, die Daten zu sichten und auszuwerten, die im Eis mit dem Mikrowellenradiometer gemacht wurden. Es sei ein großer Vorteil, wenn man diese Daten selbst mit aufgenommen habe: „Man erinnert sich an viele Kleinigkeiten, die bei den Messungen eine Rolle gespielt haben. Man weiß, wie der Schnee und das Eis zu diesem Zeitpunkt ausgesehen haben, wie das Zusammenspiel der Instrumente lief, auf welche Stelle die Geräte geschaut haben. Das hat eine ganz andere Qualität als automatisiert aufgenommene Daten, bei denen man nicht dabei war.“ Diese direkten Informationen und Eindrücke fließen jetzt in die Auswertung der Messungen ein.

Schön warm muss auch mal sein: Dr. Marcus Huntemann bei der ersten Sichtung von Daten an Bord der Polarstern.
© Ian Raphael

Grundlagenwissen erheblich ausgeweitet

Vorrangig geht es darum, die Aussagekraft der Signale besser zu verstehen, die die Mikrowellenradiometer sammeln. Wie emittiert das Meereis wo Strahlung, und welche Eigenschaften hat diese Strahlung? „In gewisser Weise ist das eine sehr schmalskalige Studie, denn wir schauen ja nur auf einen einzigen Punkt auf dem Meereis“, erläutert Huntemann. „Aber wir schauen über längere Zeit darauf, und in dieser Zeit verändert sich der Zustand. Es wird wärmer, es wird kälter, es fällt Schnee, die Strahlung ändert sich. Diese Zusammenhänge untersuchen wir jetzt, um in Zukunft die Signale von satellitengestützten Radiometern besser interpretieren zu können.“ Vor Ort im Eis hatten die IUP-Forschenden also die Möglichkeit, ihr Grundlagenwissen für die Fernerkundungen der Polargebiete erheblich auszuweiten.

„Wir können in Zukunft die Signale von satellitengestützten Radiometern besser interpretieren.“ Dr. Marcus Huntemann, Institut für Umweltphysik

„Der Klimawandel zeigt sich in der Arktis überproportional stark. Was wir bislang über die drastische Abnahme des Meereises wissen, stammt hauptsächlich aus den Daten der satellitengestützten Mikrowellenradiometer, die seit mehr als 40 Jahren als zentrales Beobachtunginstrument im Einsatz sind“, präzisiert Gunnar Spreen. „Das ist schon mal eine sehr lange Datenreihe. Jetzt können wir aber auch noch andere Parameter aus unseren ‚frischen‘ Forschungsergebnissen untersuchen und ableiten. Zum Beispiel, ob die Schneeeigenschaften, die Eisdicke oder die verschiedenen Eistypen Auswirkungen auf unsere Messungen haben – und wenn ja, welche. Wenn wir das besser verstehen, können wir auch diese Größen aus unseren Satellitenmessungen ableiten.“ Diese neuen Parameter sind der „Gewinn“ aus der Expedition für die Forschenden.

Forschung darf Spaß machen! Linda Thielke und Dr. Gunnar Spreen vom Institut für Umweltphysik beim Aufenthalt im Eis.
© Jan Rohde

Mit Aufnahmen aus dem Helikopter zur Temperaturkarte der Scholle

Linda Thielke arbeitet derweil mit den Daten der Infrarotkamera, die in der Arktis an einem Helikopter installiert war. „Diese Aufnahmen komplettieren das Bild durch die vielen Punktmessungen auf der Eisscholle. Dank hunderter von Bildern kann ich eine Art Temperaturkarte der MOSAiC-Scholle erstellen.“ Mit den hochaufgelösten Daten können auch kleinskalige Eigenschaften analysiert werden, die relevant für den Wärmefluss vom Ozean in die Atmosphäre sind. Aus ihnen kann man beispielsweise Signale für Brüche im Eis, dünnes Eis oder sogar offenes Wasser – „eher selten im arktischen Winter“ – ableiten.

Ausgewertet werden all die Daten in verschiedenen Projekten – und nicht vom IUP alleine, sondern gemeinsam mit den „üblichen Verdächtigen“ der Polar- und Meeresforschung: dem Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, dem Sonderforschungsbereich TR172 „(AC)3 Arktische Verstärkung“, dem Graduiertenkolleg „ArcTrain“ an der Universität Bremen und zwei weiteren vom BMBF und DFG geförderten Projekten. „Wir werden auf Jahre hinaus mit den Daten aus der Forschungsfahrt zu tun haben – und nicht nur wir, sondern auch noch viele Promovierende, die jetzt an der Auswertung mitarbeiten und sich damit wissenschaftlich weiterqualifizieren“, freut sich Gunnar Spreen.

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