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Public History: „Das Sahnehäubchen der Geschichtswissenschaft“

Im Masterstudiengang „Public History“ erfahren Studierende, wie der Umgang mit dem Vergangenen das Heute prägt

Lehre & Studium / Uni & Gesellschaft

Historisches Fachwissen plus Vermittlungskompetenz – dieser Mix steht im Mittelpunkt des anwendungsorientierten Masterstudiengangs „Public History“ des Instituts für Geschichtswissenschaft. Zum Wintersemester startet das noch recht neue Programm in die zweite Runde. Studieninteressierte können sich bei Veranstaltungen im Mai und Juni über den Studiengang informieren. Um einen direkten Einblick zu ermöglichen, haben Dozentin Dr. Thekla Keuck und Studierende des zweiten Semesters die up2date.-Redaktion in ihr Seminar eingeladen.

Beim ersten Blick in den Seminarraum ist klar: Hier geht es etwas anders zu als in den meisten Lehrveranstaltungen. Die zwölf Master-Studierenden stehen in Grüppchen im Raum verteilt und diskutieren eifrig. Im Sekundentakt entstehen Ideen, werden kritisch geprüft, verfeinert, teils auch wieder verworfen. Fast alle Personen haben bunte Zettel mit Stichworten in der Hand.

Zwei Studierende sitzen an einem TIsch und tauschen sich über ein Thema aus, das auf einer Karte steht.
Was hältst du davon?“ Die Studierenden tauschen sich im Seminar über ihre Ideen aus.
© Matej Meza / Universität Bremen

Einige dieser Zettel heften bereits mithilfe von Magneten an der großen Tafel, teilweise sind sie mit verschiedenfarbigen Pfeilen verbunden, dazwischen stehen Stichworte wie „Friedrich-Ebert-Büste“, „Wandelhalle“ oder „Räterepublik“. Was hier gerade auf sichtbar kreative Weise entsteht, ist eine Führung durchs Bremer Rathaus. Anlässlich der Bremer Welterbetage vom 28. Mai bis 1. Juni konzipieren die Studierenden einen rund einstündigen Rundgang der etwas anderen Art.

Neue Erzählweise für die Rathausführung

„Bei dem Rundgang können Besucher:innen das Rathaus anhand von eher ungewöhnlichen Objekten und ihrer Geschichte noch mal neu kennenlernen“, erklärt Studentin Lena Geisel. Wichtig sei, dass die Gegenstände in einen Kontext eingebettet werden, fährt die 24-Jährige fort: „Also beispielsweise die Frage, was wir aus heutiger Sicht an diesem Objekt interessant finden.“

Ihre Kommilitonin Sophia Zimmermann führt aus: „Ich werde eine Lampe vorstellen, die aus einem Walkieferknochen besteht. Dazu können wir über den Walfang in Bremen im 18. Jahrhundert sprechen. Oder wir stellen heraus, wie sich das Objekt über die Jahrhunderte verändert hat. An diesem Punkt sind wir gerade im Seminar: Wir stellen die einzelnen Stationen der Führung so zusammen, dass sie für die Besucher:innen ein Ganzes ergeben.“

Ein Studierender schreibt auf einem White Board.
Was für gut befunden wird, landet in der Übersichtsplanung an der Tafel.
© Matej Meza / Universität Bremen

Student Jared Schauer ergänzt: „Obwohl die Führung neue Wege gehen soll, dürfen die wichtigsten Jahreszahlen und prägenden Epochen nicht fehlen. Schließlich erwarten die Teilnehmenden einen umfassenden Blick auf das Bremer Weltkulturerbe. Wir richten uns ja auch an Menschen, die das Rathaus noch gar nicht kennen“, sagt der 30-Jährige. Und, ganz wichtig: Die Führung darf nicht länger als eine Stunde werden, denn dann lässt die Aufmerksamkeit erfahrungsgemäß nach.

Konzentrierter Trubel im Seminarraum

Gar nicht so leicht, all diesen Anforderungen gerecht zu werden. Den Gesamtüberblick behält Dozentin Dr. Thekla Keuck. Sie begleitet die Studierenden nicht nur auf ihrem Weg zu einer gelungenen Rathausführung, sondern ist zudem einer der entscheidenden Köpfe des neu konzipierten Studienprogramms: „Public History – also die Geschichtsvermittlung und ihre Präsentationsformen – kommt aus den USA und ist in Deutschland erst seit etwa 15 Jahren etabliert. Vor einigen Jahren entschied das Institut für Geschichtswissenschaft, diesen Zweig zu stärken.“

100-prozentiger Geschichtsmaster

„Für mich ist Public History das Sahnehäubchen der Geschichtswissenschaft. Es ist zu 100 Prozent ein Geschichtsmaster und gleichzeitig so viel mehr. Im ersten Semester stehen Theorien, Methoden und Begrifflichkeiten der Geschichtswissenschaft sowie die Quellenarbeit im Vordergrund“, hebt sie hervor. Das sei wichtig, denn nur eine solide fachwissenschaftliche Grundlage sei die Voraussetzung für Vermittlung von Geschichte in der Öffentlichkeit.

Drei Studierende nebeneinander im Portrait
Jared Schauer, Lena Geisel und Sophia Zimmermann (von links nach rechts) berichten von ihren Erfahrungen im Studiengang „Public History“.
© Matej Meza / Universität Bremen

Diese Fertigkeit üben die Studierenden dann in Praxisprojekten ab dem zweiten Semester – wie der Rathausführung. Die Studiengangsverantwortliche ergänzt: „Unser Ziel ist es, Absolvent:innen auszubilden, die es schaffen auf Grundlage ihres historischen Fachwissens neue Narrative für die Öffentlichkeit zu entwickeln, nachdem sie die alten infrage gestellt haben.“

Dem Populismus etwas entgegensetzen

Lena Geisel sieht in der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Lage noch einen weiteren Grund, einen Master wie „Public History“ zu studieren: „Aktuell können wir beispielsweise in den USA sehen, wie öffentliche Diskurse geschichtliche Narrative verwenden, um ihre Argumentation zu legitimieren.“ Dieser zunehmende Populismus mache ihr Sorgen. „Deswegen möchte ich aktiv dagegen arbeiten. Der Studiengang gibt uns nicht nur Fachwissen und Vermittlungskompetenz, sondern auch ein Verständnis dafür, wie der Umgang mit Geschichte in der Öffentlichkeit funktioniert. Gerade das ist elementar für mich.“

Und nach dem Studium?

Mögliche Berufsfelder sind Museen, Gedenkstätten, Dokumentationszentren, das Kulturmanagement, Journalismus oder Tourismus. Lena Geisel und Jared Schauer wissen schon ziemlich sicher, dass sie nach ihrem Studienabschluss in einem Museum arbeiten wollen, Sophia Zimmermann ist dagegen noch unentschlossen. „Ich werde im Sommer ein Praktikum in der KZ-Gedenkstätte Dachau machen und dann weitersehen“, sagt sie.

Weitere Informationen

Bremer Welterbetage

Die Bremer Welterbetage 2025 laufen vom 28. Mai bis 1. Juni. Die von den Studierenden konzipierte Rathausführung wird am 31. Mai stattfinden. Die Teilnahme ist kostenfrei. Zudem werden einige Studierende an einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Welterbetage teilnehmen. Mehr zu Programm und Anmeldung auf der Webseite der Senatskanzlei Bremen.

Masterstudiengang „Public History

Der deutschsprachige Masterstudiengang Public History ist anwendungsorientiert, interdisziplinär und epochenübergreifend. Er baut auf einem Bachelorabschluss in Geschichte oder vergleichbaren Studienrichtungen aus den Sozial- und Kulturwissenschaften auf. Für Studieninteressierte gibt es Infoveranstaltungen am Montag, 26. Mai um 12 Uhr in Präsenz (Gebäude GW2, Raum B2335a) und am 17. Juni um 10 Uhr via Zoom.

Webseite Public History

Webseite Studienorientierung

Instagram-Account Public History

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