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Was tun bei Diskriminierung, Konflikten und Gewalt? So unterstützt die ADE Uni-Angehörige

Jedes Jahr berät die ADE rund 140 Ratsuchende aus der Universität. Zudem gibt es ein umfangreiches Schulungsangebot

Campusleben

Niemand hört es wirklich gern, aber Fakt ist: Wir alle diskriminieren. In der Regel sind wir uns dessen gar nicht bewusst. Und: Wir alle sind an Konflikten beteiligt. Wie wir mit diesen Tatsachen des Studien- und Berufslebens gut umgehen können? Dazu berät die Arbeitsstelle gegen Diskriminierung und Gewalt (ADE) der Universität. Das Angebot richtet sich an alle Universitätsangehörigen, egal ob Studierende, Mitarbeitende in Technik und Verwaltung oder Professor:innen. Auch die Angehörigen der weiteren bremischen Hochschulen und die Beschäftigten der Kernverwaltung des bremischen Öffentlichen Dienstes können sich an die ADE wenden.

Jana hatte sich auf die neue Stelle an der Universität Bremen gefreut. Endlich wieder in einem Team arbeiten – was für ein toller Gedanke nach mehreren Jahren als Solo-Selbstständige. Doch schon nach wenigen Tagen wird Jana klar, dass Teamarbeit auch anstrengend sein kann. Wieso sind die Arbeitsbesprechungen so mühsam? Kaum jemand sagt etwas. Und wenn doch mal jemand den Mund aufmacht, hängt sich die Diskussion immer an irgendeiner Lappalie auf. Was soll das? Bei einer Kollegin ist es richtig schlimm. Sie ist schon etwas älter und seit vielen Jahren an der Uni beschäftigt. Doch statt Jana in das gemeinsame Projekt einzuführen, scheint sie ihr regelrecht auszuweichen. Was hat die Kollegin nur gegen sie?

Zugegeben: Janas Geschichte ist ausgedacht. Aber sie könnte so passiert sein. Jedenfalls bekommen Almut Dietrich, Sewita Mebrahtu und ihre Kolleginnen von der ADE Szenarien wie diese in ihren Beratungen geschildert. „Solche Verhaltensweisen sind für uns Frühmarker“, erklärt Mebrahtu (Juristin). Ihre Kollegin Dietrich (Supervisorin und Organisationsberaterin) ergänzt: „Anderen ausweichen, sich in seinem Büro isolieren – dies können Anzeichen für Konflikte oder Diskriminierungen im Team sein.“ Beide haben, wie alle Kolleginnen der ADE, unterschiedliche Zusatzausbildungen als Beraterinnen absolviert und langjährige Praxiserfahrungen im Themenfeld.

Aktiv zuhören

Und wie würden die Beraterinnen das Anliegen von Jana aufgreifen, wenn sie zu ihnen käme? „Ernst nehmen und aktiv zuhören im Sinne des wirklich verstehen wollen“, sagt Mebrahtu. Im ersten Gespräch versuche sie immer herauszufinden, worum es gehe und was genau die Ratsuchenden möchten.

Je nachdem, mit welchem Anliegen Jana an die ADE herantritt, unterscheidet sich für die Beraterinnen ihr Auftrag. Fühlt Jana sich von der älteren Kollegin diskriminiert, weil sie jung ist? Oder geht es eher um die schwelenden Konflikte in den Teambesprechungen? Bei der ADE gibt es klare Unterschiede zwischen Konflikt und Diskriminierung und ebenso unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten zu den jeweiligen Schwerpunkten ihrer Arbeit.

„Häufig entwickelt sich jedoch aus einer Diskriminierung ein Konflikt oder umgekehrt“, erklärt Almut Dietrich. Im Gegensatz zu Diskriminierungen, die häufig unter der Oberfläche brodeln und schwer greifbar sind, lassen sich Konflikte leichter benennen. Die beiden Beraterinnen führen dies darauf zurück, mit welcher Abwehr die meisten Menschen auf den Begriff Diskriminierung reagieren. „Die Vermeidung des Begriffs Diskriminierung erschwert jedoch ein darüber sprechen“, so Sewita Mebrahtu. Generell steige aber die Sensibilität und das Bewusstsein bei Diskriminierung seit einigen Jahren, was die ADE-Beraterinnen sehr positiv sehen.

Zu sehen ist der Arbeitsplatz bei der ADE.
Im Erstgespräch wird in der Regel geklärt, was genau die Ratsuchenden zur ADE führt.
© Lukas Klose / Universität Bremen

Diskriminierung oder Lappalie?

Aber was ist eine Diskriminierung genau? Bei dieser Frage hilft ein Blick ins Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG. Das Gesetz regelt dem Umgang damit, wenn Menschen aus rassistischen Gründen oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden.

Gibt es denn klare Indikatoren für eine Diskriminierung oder ist das immer ein subjektives Empfinden? „Beides. Denn das subjektive Empfinden bildet eines der klaren Indikatoren“, erläutert Mebrahtu. Dies greife das AGG besonders an zwei Stellen auf: Erstens geht es bei Diskriminierungen nicht um die Absicht, sondern um die Wirkung. Denn unter Diskriminierung sind nicht nur die böswilligen, absichtsvollen Handlungen zu fassen. „Gerade Alltagsdiskriminierungen, die oft subtil, unbedacht und/oder unbewusst erfolgen, reproduzieren in der Summe häufig ein Gefühl des gesellschaftlichen Ausschlusses“, so Mebrahtu. Zweitens hat die Gesetzgebung genau aus diesem Grund den niedrigschwelligen Zugang sich innerbetrieblich zu beschweren ermöglicht. Dafür reiche das subjektive Gefühl der Diskriminierung. Das heißt: Jede Person darf sich bei der zuständigen AGG-Beschwerdestelle melden, wenn sie sich diskriminiert fühlt. Erst im zweiten Schritt wird dann geprüft, ob es sich um eine Diskriminierung im juristischen Sinne handelt.

Wie im Alltag mit Diskriminierung umgehen?

Ein Beispiel: In einer Online-Lehrveranstaltung kritisiert eine Studierende eine einseitige, europäisch-zentrierte Perspektive in den Lehrinhalten. Dieser Kritik schließen sich einige Studierende an, während andere massiv dagegen Stellung beziehen und dabei auch die Kritiker:innen angreifen. Die Lehrende ist völlig überrascht vom Verlauf der Diskussion. Nach der Veranstaltung wenden sich mehrere Studierende an sie und machen deutlich, dass sie sich von bestimmten Aussagen in der Diskussion verletzt fühlen und diese als rassistisch und sexistisch bewerten. Auch kritisieren sie das mangelnde Eingreifen der Lehrenden. Diese fühlt sich zu Unrecht beschuldigt und ist verunsichert, wie sie mit der Situation in ihrem Seminar umgehen soll. Sie wendet sich mit diesen Fragen an die ADE.

„Das Wichtigste ist, der Lehrenden in einem geschützten Rahmen die Möglichkeit zu bieten, das Geschehene zu reflektieren und für sich einen guten inneren Standpunkt zu entwickeln“, erläutert Mebrahtu. In einem zweiten Schritt könne dann die Rolle und die Verantwortung der Lehrenden im Umgang mit Diskriminierung besprochen werden sowie die Handlungsmöglichkeiten, die ihr in dieser Rolle zur Verfügung stehen. Diese könne zum Beispiel in einem Gesprächsangebot an die meldenden Studierenden bestehen, um herauszufinden, welche Form der weiteren Bearbeitung für sie denkbar wäre. Die ADE könnte dabei als Unterstützung einbezogen werden. Im Idealfall werden gemeinsam klare Regeln für einen Umgang miteinander entwickelt, um im Seminar nochmal über die diskriminierenden Situationen zu sprechen.

Die strukturelle Ebene im Blick

Neben dem individuellen Aspekt betrachten die Beraterinnen ebenso die strukturelle Ebene und welche Faktoren darin sowohl Konflikte als auch Diskriminierung begünstigen können. Gerade an Universitäten spielen laut Mebrahtu und Dietrich Wettbewerb, Konkurrenz, Machtgefälle und leistungsorientiertes Arbeiten bei gleichzeitig knappen Ressourcen eine wichtige Rolle. Zudem bringen Angehörige der Universität ihrer Erfahrung nach unterschiedliche politische, soziale und gesellschaftliche Sichtweisen in die Arbeitsbeziehungen ein. In dieser Gemengelage brauche es sowohl Regelungen für einen lösungsorientierten und professionellen Umgang mit Konflikten und Diskriminierung als auch Räume für Reflexion. Beratungs- und Fortbildungsangebote für Führungskräfte und andere Verantwortliche haben zum Ziel, die Handlungssicherheit im Umgang mit Konflikten und Diskriminierungen zu erhöhen, damit Angehörige der Universität ihr Recht auf Nicht-Diskriminierung wahrnehmen können, ohne deshalb Nachteile zu erfahren. Letzteres betreffe in besonderer Weise Studierende und Auszubildende, da sie sich in der universitären Struktur am meisten in einem Abhängigkeitsverhältnis befänden.

Wer kommt zur ADE?

Die meisten Ratsuchenden der ADE, etwa ein Drittel, sind übrigens im Bereich Technik und Verwaltung beschäftigt. Dahinter folgen mit einem Anteil von einem Viertel Wissenschaftliche Mitarbeitende. Ein Sechstel aller Ratsuchenden sind Studierende. Diese Zahlen stammen aus einem internen Bericht der ADE aus den Jahren 2018/2019.

Noch mehr Zahlen? Fast 70 Prozent der Ratsuchenden sind selbst betroffen, haben also einen Konflikt oder eine Diskriminierung am eigenen Leib erfahren. Die anderen sind entweder „qua Amt“ bei der ADE, beispielsweise Vorgesetzte oder als Personalratsmitglied, das einen Fall begleitet. Es kommen aber auch Kolleg:innen oder Vorgesetzte, die in ihrem Team Schieflagen beobachten und sich Rat holen, wie sie damit umgehen können.

Der größte Anteil der Beratungen, fast 40 Prozent, beschäftigt sich inhaltlich mit Konflikten zwischen zwei verschiedenen Hierarchieebenen. Auf Platz zwei sind Team- und Gruppenkonflikte, gefolgt von Rollenkonflikten. Diskriminierungserfahrungen beziehen sich besonders häufig auf das Geschlecht oder haben Rassismus als Hintergrund. Aber auch soziale Herkunft, Sprache und Behinderung werden als Faktoren benannt.

Hochschulen im Umbruch

Die gute Nachricht: „Die Hochschulen beschäftigen sich seit etwa fünf bis zehn Jahren verstärkt mit dem Thema Diskriminierung“, hat Dietrich im Austausch mit Kolleg:innen aus anderen Universitäten beobachtet. Gerade auf der Ebene der Leitungen steige das Bewusstsein dafür, dass auf der institutionellen Ebene etwas passieren müsse. Auch Menschen mit Handlungsverantwortung wie Lehrende und Teamleitende seien sich ihrer Verantwortung, einen möglichst diskriminierungsfreien Raum zu schaffen, zunehmend bewusst: Der Anteil der Professor:innen beispielsweise, die an Angeboten der ADE teilnehmen oder hier Rat suchen, war 2019 mit knapp zehn Prozent zwar immer noch vergleichsweise gering, nehme aber zu.

Die ADE in Kürze

Die ADE gibt es seit 1993. Die Universität Bremen war eine der ersten Hochschulen bundesweit, die solche eine zentrale Stelle gegen Diskriminierung und Gewalt einrichtete. Grund war ein Vorfall sexualisierter Diskriminierung, der damals auch medial hohe Wellen schlug. Heute ist die ADE eine Fach- und Beratungsstelle, die zum Umgang mit Diskriminierungen, Konflikten und Gewalt schult und berät. Insgesamt sind fünf Beraterinnen in Teilzeit bei der ADE tätig. Sie sind zuständig für alle Studierenden und Beschäftigten der Universität Bremen, der Kernverwaltung des Öffentlichen Dienstes sowie aller Hochschulen im Land Bremen. Die ADE berät kostenlos und vertraulich Betroffene und deren Vertrauenspersonen sowie Führungskräfte und Interessenvertretungen. Mögliche Sprachen sind Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch.

Die Kontaktaufnahme kann per ade@uni-bremen.de oder telefonisch erfolgen. Die telefonischen Sprechzeiten sind dienstags von 10.00 bis 11.30 Uhr und donnerstags von 16.00 bis 17.30 Uhr unter der Nummer 0421–218 60 170. Zu den anderen Zeiten läuft ein Anrufbeantworter. Binnen einer Woche ist mit einer Rückmeldung zu rechnen, in akuten Krisenfällen schneller.

Weitere Informationen

Webseite ADE

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