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Weg vom Verbrenner! Know-how für bessere Batterien

Leistungsfähiger, langlebiger, leichter sollen sie sein. Im Labor funktionieren die Batterien der nächsten Generation bereits.

Forschung

Festkörperzellen in einem größeren Maßstab zu bauen, sodass sie verlässlich Autos oder auch Flugzeuge antreiben, ist eine Herausforderung. An alltagstauglichen Lösungen arbeiten Forschende in der U Bremen Research Alliance mit Hochdruck.

Man kann wohl sagen: Dr. Julian Schwenzel war seiner Zeit voraus. Als der Physiker vor 20 Jahren über Batterien promovierte, interessierte sich noch kaum jemand für die elektrochemische Speicherung von Energie. Schwenzel war zunächst im Anlagenbau tätig, für Batteriefachleute gab es wenige Jobs. Heute ist er Abteilungsleiter für Elektrische Energiespeicher am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM und leitet ein Team mit 22 Mitarbeitenden. „Die Mannschaft“, sagt er, „wächst kontinuierlich. Wir brauchen ständig mehr Laborfläche, mehr Platz.“

Batterien sind eine der Schlüsseltechnologien der Energiewende. Ohne leistungsstarke Energiespeicher kann der Übergang von fossilen Brennstoffen zu regenerativen Energien nicht gelingen. Sie werden dringend benötigt, nicht nur von der Automobilindustrie zur Umsetzung der Elektromobilität, sondern auch für die Zwischenspeicherung überschüssiger Solar- und Windenergie. Ein Thema von enormer gesellschaftlicher Relevanz also, bei dem die Forschenden der U Bremen Research Alliance Pioniere sind. Aufgrund ihrer Arbeit hat sich Bremen zu einem Zentrum der Batterieforschung in Deutschland entwickelt.

„Wir teilen uns die Labore, ergänzen uns super in unseren Kompetenzen, profitieren gegenseitig voneinander.“

Dr. Julian Schwenzel vom Fraunhofer IFAM
© Jens Lehmkühler / U Bremen Research Alliance

Das hat auch mit Prof. Dr. Fabio La Mantia und seiner Arbeitsgruppe zu tun. Im Fachgebiet „Energiespeicher- und Energiewandlersysteme“ des Fachbereichs Produktionstechnik der Universität Bremen hat La Mantia eine Brückenprofessur inne, die 2015 in Kooperation mit dem Fraunhofer IFAM ins Leben gerufen worden ist. Beide Institutionen, die Universität und das Fraunhofer IFAM, sind Mitgliedseinrichtungen der U Bremen Research Alliance. Während La Mantia Grundlagenforschung betreibt, stehen bei Schwenzel die Anwendungen im Vordergrund. Beide arbeiten eng zusammen. „Wir teilen uns die Labore, ergänzen uns super in unseren Kompetenzen, profitieren gegenseitig voneinander“, schwärmt Schwenzel.

Wie können die Energie- und Leistungsdichte erhöht, die Ladefähigkeit und Lebensdauer verbessert, die Sicherheit und die Kreislauffähigkeit vergrößert werden – das sind einige der Fragen, an denen die Arbeitsgruppen forschen. „Wir arbeiten in zwei Richtungen“, erzählt Schwenzel, „und zwar an der intelligenten Überwachung der Batterien mithilfe von Algorithmen und an neuen Materialien.“

Professor Fabio La Mantia von der Universität Bremen.
© Jens Lehmkühler / U Bremen Research Alliance

Die etablierten Lithium-Ionen-Batterien, wie sie in Autos, Laptops und Handys seit Langem verbaut werden, nutzen flüssige Elektrolyten als Leiter für elektrischen Strom. Ihr Nachteil: Sie sind brennbar, ihr Potenzial ist weitgehend ausgeschöpft. „Fest statt flüssig“, lautet deshalb die Devise. Erprobt werden Festkörper als Leiter, wie Sulfide oder Polymere. Sie sind nicht entflammbar, verfügen über eine hohe Energiedichte und lassen sich zudem besser verarbeiten.

„Die Materialklassen haben unterschiedliche Eigenschaften“, erläutert Schwenzel. Polymere etwa lassen sich gut bearbeiten, Sulfide schneller laden und entladen. Das ist wichtig für die Automobilindustrie, die zu den Kunden des Fraunhofer IFAM zählt, allerdings sind Sulfide feuchtigkeitsempfindlich. Im Labor haben die Forschenden die unterschiedlichsten Material- Rezepturen erprobt. In einer Größe von 5 × 5 Zentimetern arbeiten die Festkörperbatterien perfekt. Sie im Großmaßstab herzustellen, sei jedoch eine ganz andere Welt, meint Schwenzel. „Da geht es um Zigtausende von Beschichtungen für mehrlagige verschaltete Einzelzellen zu einem Gesamtbatteriesystem. Das kann im Moment noch niemand leisten.“

„Im Grunde geht es darum, eine Batterie besser zu verstehen und sie zu optimieren.“

Um elektrochemische Systeme bauen zu können, ist ein enormes Know-how nötig. „Die Prozesskette – vom Pulver bis zur Zelle – ist komplex. Die Elektrochemie ist schwierig zu kontrollieren, das darf man nicht unterschätzen“, betont Schwenzel. Batterien haben ein Eigenleben: Sie altern, jede ist anders und kleine Verunreinigungen in der Produktion können einen großen Einfluss auf die Lebensdauer haben.

Die Analyse der Batterie ist eine der Expertisen von Fabio La Mantia. Seine Arbeitsgruppe hat eine Methode entwickelt, die Schwachstellen einer Batterie im Betrieb identifiziert und ihre Lebensdauer prognostiziert – unabhängig von der Art des Leiters. „Im Grunde“, sagt er, „geht es darum, eine Batterie besser zu verstehen und sie zu optimieren.“ Dies geschieht etwa durch eine permanente Erfassung der Daten. „Wir sprechen von dynamischer Frequenzanalyse“, erzählt La Mantia.

Schützt vor Luftfeuchtigkeit: Elektrolysescreening in der Handschuhbox
© Jens Lehmkühler / U Bremen Research Alliance

Der Chemieingenieur, der an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich promoviert hat und anschließend an der Standford University in Kalifornien und an der Ruhr-Universität Bochum gewirkt hat, ist 2015 nach Bremen gekommen – wegen der Batterieforschung. „Mich hat immer interessiert, die Anwendungen meiner Arbeit in der realen Welt zu sehen“, sagt er. „Dafür bestehen hier optimale Bedingungen und ich mag es, Probleme zu lösen.“

Der Italiener, dessen Arbeit 2017 mit einem der renommierten ERC-Grants des Europäischen Forschungsrats ausgezeichnet worden ist, hat sich auch dem „Lithium-Problem“ gewidmet. Das Metall ist eines der wichtigsten Rohstoffe für Batterien. Die Nachfrage nach Lithium insbesondere durch die Autoindustrie wird in den kommenden Jahren regelrecht durch die Decke gehen, es wird knapp und gefördert wird es nur in wenigen Ländern unter oft schwierigen Bedingungen.

„Die Frage ist: Können wir Technologien finden, die nicht auf Lithium basieren, die nachhaltiger und kostengünstiger sind?“, so La Mantia. Geforscht wird etwa an Akkus auf Zinkbasis, die insbesondere für stationäre Anwendungen wie die Speicherung von Solarenergie interessant sind – oder auch an Metall-Luft-Batterien.

Unter Druck: Test einer Batteriezelle
© Jens Lehmkühler / U Bremen Research Alliance

Für das „Lithium-Problem“ gibt es indes noch einen weiteren Ansatzpunkt: die Gewinnung des Rohstoffs in Deutschland. Lithium kommt in der Natur in Form von Salzen vor. La Mantia und seine Arbeitsgruppe haben einen Weg gefunden, wie das Metall aus geo- thermischen Quellen und aus Abwasser extrahiert werden kann. Ähnlich wie bei den Feststoffbatterien funktioniert das Verfahren im Labor bereits, auch hier ist das „Upscaling“, die Maßstabsvergrößerung, die Herausforderung. „Wir sind darüber bereits im Gespräch mit Unternehmen“, erzählt er. „Das Recycling ist für uns ein ganz großes Thema“, ergänzt Schwenzel. So arbeiten die Forschenden an verschiedenen Verfahren, wie Batterien zerlegt und Rohstoffe wiedergewonnen werden können.

„Unser Vorteil ist, dass wir unsere Expertise aus anderen Anwendungsfeldern auf die Batterieforschung übertragen können.“

Der Batterie-Sektor boomt. Weltweit forschen Wissenschaftler:innen an einer neuen Generation von Batterien. Schwenzel fürchtet Konkurrenz nicht. „Unser Vorteil ist, dass wir unsere Expertise aus anderen Anwendungsfeldern auf die Batterieforschung übertragen können.“ Eine interessante Anwendung sei etwa das Drucken von Batterien, die dann ganz andere Formen annehmen können, jenseits der gewohnten rechteckigen Kästen. Bis derartige Technologien im Alltag ankommen, wird es noch einige Zeit dauern. Im Fall der Feststoffbatterie rechnet Schwenzel mit fünf Jahren: „Dann könnte sie einsatzbereit sein.“

Projekt „NeuroBatt“

Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, forscht das Fraunhofer IFAM auch an einer optimierten Betriebsstrategie zur effizienten und nachhaltigen Nutzung von elektrischen Energiespeichern. Für die Zustandsüberwachung von Batterien kommen dabei computerba- sierte neuronale Netzwerke zum Einsatz. Sie werden unter anderem gefüttert mit Echtzeitmessungen des „State of Health“ der Zellen im Betrieb in unterschiedlichen Szenarien sowie den Ergebnissen von zyklischen Alterungstests. So entsteht eine umfangreiche Datenbasis zum Anlernen der Netze, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz alterungsrelevante Parameter identifizieren. Auf diese Weise ergibt sich letztlich ein Prognosetool zur Lebensdauervorhersage einer Batterie.

Der Artikel stammt aus Impact - Dem Wissenschafts-Magazin der U Bremen Research Alliance

In der U Bremen Research Alliance kooperieren die Universität Bremen und zwölf Institute der bundländerfinanzierten außeruniversitären Forschung. Die Zusammenarbeit erstreckt sich über vier Wissenschaftsschwerpunkte und somit „Von der Tiefsee bis ins Weltall“. Das Wissenschafts-Magazin Impact gibt zweimal im Jahr spannende Einblicke in das Wirken der kooperativen Forschung in Bremen.

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